Ende des 19. Jahrhunderts war die Arbeit als Hausangestellte die häufigste Erwerbstätigkeit von Frauen in Österreich. Mit der Entwicklung der Sozialstaaten, neuer arbeitsrechtlicher Regelungen oder von Behörden der Arbeitsmarktverwaltung waren tiefgreifende Veränderungen von Arbeit verbunden. Diese erfassten auch den häuslichen Dienst. Aber wie dieser eingeordnet, geregelt und praktiziert werden sollte, blieb umstritten. Hausgehilfinnen lebten mit den Dienstgeber*innen unter einem Dach. Sollten sie daher als untergeordnete Mitglieder des Haushalts, als Teil der Familie oder als Arbeiterinnen gelten? Diese Frage beschäftigte Parlamente, Behörden, Interessenorganisationen und Vereine – und nicht zuletzt Hausgehilfinnen und Dienstgeber*innen selbst. Sie war Gegenstand öffentlicher Debatten, lag Kämpfen für (oder gegen) verbriefte soziale Rechte des Hauspersonals zugrunde und wirkte bis ins alltägliche Leben und Wirtschaften im fremden Hause hinein.
Der Vortrag beschäftigt sich mit derlei Auseinandersetzungen in Österreich von etwa 1880 bis 1938 aus unterschiedlichen Perspektiven und konzentriert sich insbesondere auf Wien, wo ungefähr die Hälfte des Hauspersonals tätig war. Er fragt nach den Veränderungen des häuslichen Diensts in dieser Zeit und arbeitet heraus, wie Hausgehilfinnen und andere Arbeitskräfte zueinander ins Verhältnis gesetzt wurden. In der Zwischenkriegszeit wurden Hausgehilfinnen rechtlich erstmals als Arbeitskräfte verstanden – allerdings als Arbeitskräfte der besonderen Art. Dies war Ausdruck einer Geschlechterpolitik, die Frauen die Versprechen regulärer Beschäftigung verweigerte.
Verein für Geschichte der Stadt Wien (Web)
Zeit: 19.03.2025, 19:00 Uhr
Ort: Volkshalle des Wiener Rathauses, Lichtenfelsg. 2, 1010 Wien
Anmeldung bis 19.03.2025 (Web)
Moderation: Elisabeth Rosner
Fotografie: Hermine Kominek (Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen an der Univ. Wien). Weiterführend zu ihrer Biografie (Web)
Jessica Richter studierte Sozialwissenschaften und European Regional Development in Hannover und Cardiff; 2017 Promotion im Fach Geschichte an der Univ. Wien mit der Dissertation „Die Produktion besonderer Arbeitskräfte. Auseinandersetzungen um den häuslichen Dienst in Österreich (1880-1938)“. Sie forscht zu (Geschlechter-)Geschichte von Arbeit, Migration und Haushalten am Institut für Geschichte des ländlichen Raumes in St. Pölten, seit 2024 leitet sie die Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Univ. Wien und ist Mitglied von frida.