Die Publikation kolloquiA wurde 2001 von frida herausgegeben. Zum Projekt … weiterlesen auf dieser Website
Projektpräsentation
Zeit: 10. Juli 2001
Ort: Österreichische Nationalbibliothek
Rednerinnen
- Dr.in Eva Knollmayer – Ministerialrätin, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur: Begrüßung
- Dr.in Johanna Rachinger – Generaldirektorin der Österreichische Nationalbibliothek: Begrüßung
- Mag.a Christa Bittermann-Wille – Österreichische Nationalbibliothek, Abteilung Ariadne: Begrüßung
- Mag.a Helga Klösch-Melliwa – Projektleiterin: Vorstellung des Projekts
- Dr.in Brigitte Geiger – Kommunikationswissenschafterin: Vortrag „Prinzipien und Strukturen feministischer Informationsarbeit“
Ministerialrätin Eva Knollmayer, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Sehr geehrte Frau Generaldirektorin, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es entspricht einer langjährigen Tradition des Wissenschafts-, jetzt Bildungsministeriums jeweils den neuesten Band der Reihe „Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft“ (Web) einem interessierten Publikum vorzustellen.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich sehr herzlich bei der Frau Generaldirektorin für die Ermöglichung, dies in den Räumen der Nationalbibliothek zu tun, bedanken.
Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, gibt das Wissenschaftsministerium seit 1992 die Publikationsreihe „Materialien zur Förderung der Frauen in der Wissenschaft“ heraus, in der bislang zehn Bände erschienen sind. Die Publikationsreihe wird vom Ministerium zur Gänze finanziert, hat sich zum Ziel gesetzt, die Situation von Frauen im Wissenschaftsbetrieb sichtbar zu machen. Neben der Veröffentlichung von Forschungsarbeiten, die Analysen zur Situation der Frauen an den Hochschulen und Beiträge zur Förderung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb oder in den Künsten enthalten, wurden bereits zwei Bände der frauenspezifischen Dokumentationsarbeit gewidmet.
Auf diese beiden Bände möchte ich Sie besonders hinweisen, weil ich glaube, dass diese Bände speziell für Sie von Interesse sind.
Der eine ist eine von Ilse Korotin und Kirstin Breitenfellner zusammengestellte Bibliographie frauenspezifischer Hochschulschriften an österreichischen Universitäten in der Zeit zwischen 1968 und 1993. Der andere Band ist der erste Österreichische Frauenthesaurus thesaurA (Web), erstellt von Helga Klösch-Melliwa und Angelika Zach, ein Nachschlagewerk zur inhaltlichen Erschließung frauenspezifischer Literatur. Darüber hinaus habe ich ein paar Prospekte mitgebracht, denen sie das gesamte Angebot entnehmen können und der Verlag Österreich hat einen Büchertisch aufgestellt.
Heute wird Band 11 – kolloquiA (Web) von Helga Klösch-Melliwa et.al. – vorgestellt, der sich mit Aktivitäten und Leistungen von Expertinnen im Informationswesen, speziell im Fraueninformationswesen befasst und der für das Bildungsministerium viele interessante Hinweise auf eine adäquate Ausbildung für Informationsberufe enthält. Diese Publikation geht dankenswerterweise auf die Initiative von frida zurück und wurde in zweijähriger Arbeit unter Mitgestaltung vieler Autorinnen produziert.
Durch die neuen Informations-, Kommunikations- und Medientechnologien ist das Informationswesen tiefgreifenden Veränderungen unterworfen. Diese Situation des Umbruchs eröffnet die Chance, aber auch die Notwendigkeit der geschlechterdemokratischen Sichtbarmachung von Frauen in jenen neuen Denk- und Arbeitsfeldern des modernen Wissensmanagements und dieses Buch soll dazu einen Beitrag leisten.
Ich möchte mich bei allen Autorinnen und Mitwirkenden für die engagierte Arbeit bedanken. Da sie aus den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen kommen, bietet dieser Band vielfältige interessante Perspektiven auf das frauenbezogene Informationswesen. Ein Dankeschön auch an unsere bewährte Lektorin Frau Barbara Neuwirth, an unsere Grafikerin Nele Steinborn und an den Verlag Österreich, der den Vertrieb hoffentlich wie immer erfolgreich meistern wird.
Ich wünsche Ihnen noch einen interessanten Vormittag.
Direktorin Johanna Rachinger, Österreichische Nationalbibliothek
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen!
Ich freue mich, dass wir diesen Band kolloquia (Web) heute hier im Oratorium der Österreichischen Nationalbibliothek (Web) präsentieren dürfen.
Auch wenn vielleicht auf den ersten Blick der Bezug zu unserem Hause nicht ganz ersichtlich ist, finden sich doch bei näherer Betrachtung mehrere interessante Anknüpfungspunkte.
Zum einen bietet der riesige Fundus einer historischen Universalbibliothek ein reiches Betätigungsfeld für die Erforschung weiblicher Bibliotheks- und Buchgeschichte. Zum anderen ist die Frauen- und Geschlechterforschung tatsächlich in unserem Hause vertreten. Das zeigt die seit zehn Jahren an der ÖNB produzierte frauenspezifische Datenbank Ariadne mit ihren mittlerweile über 30.000 Datensätzen.
In der uns hier vorliegenden Lehr- und Forschungsmaterialiensammlung haben sowohl historische als auch aktuelle Themen ihren Niederschlag gefunden, und ich freue mich, dass von den Autorinnen auch die Ressourcen der Österreichischen Nationalbibliothek optimal genutzt wurden.
Ich beglückwünsche alle, die an diesem Band mitgearbeitet haben, und hoffe, dass hier eine Basis für weitere Arbeiten in diesem Forschungsbereich gelegt wurde. Vielen Dank.
Christa Bittermann-Wille, Österreichische Nationalbibliothek – Abteilung Ariadne
Es freut mich ganz besonders, Sie heute als stellvertretende Vorsitzende des Vereines zur Förderung und Vernetzung frauenspezifischer Informations- und Dokumentationseinrichtungen, kurz frida genannt, hier begrüßen zu können und möchte mich gleich vierfach bedanken:
Zu danken haben wir dem Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, dem ehemaligen Wissenschafts- sowie Sozialministerium, die das Projekt kolloquiA 1998-2000 gefördert haben.
Besonderer Dank gilt dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, im speziellen der Abteilung VII,B1 (Statistik, Information, Berichtswesen und Frauenförderung), die mit der Edition der Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft und der Aufnahme unserer kolloquiA als mittlerweile 11. Band der Reihe sich zum zweiten Mal eines informationswissenschaftlichen Themas annimmt. Wir alle erinnern uns noch sehr gut an die Präsentation von thesaurA (Web), des österreichischen Frauenthesaurus, des 5. Bandes der Materialien 1996, der inzwischen eine große Verbreitung und Erfolgsgeschichte aufzuweisen hat. Unter dem Dach dieser Reihe fühlt sich frida sehr gut aufgehoben – wir haben die Buchform auch bewusst einer online oder „book on demand“ Publikation vorgezogen!
Weiterer Dank gilt der Österreichischen Nationalbibliothek und ihrer Direktorin Frau Dr. Rachinger, die uns die Möglichkeit gab, das Buch hier zu präsentieren – von den Berührungspunkten haben wir ja bereits gehört.
Nicht zuletzt gilt der Dank von frida besonders der Projektleiterin und Autorin Helga Klösch-Melliwa, die sowohl die Arbeitsgruppe als auch das Mitarbeiterinnenteam von kolloquiA fachlich kompetent, souverän, unermüdlich, koordinierend und straffend von der Idee über die Konzeption, von der Verwirklichung bis zur Drucklegung 2 Jahre geführt hat.
Ich glaube, wir alle können stolz sein auf dieses kompakte Werk, das auch die gute Zusammenarbeit und unseren Teamgeist zum Wohle der Vernetzung und Förderung von Fraueninformation im umfassenden Sinne dokumentiert. Wir selbst haben damit ein Instrumentarium zur Hand, das uns in unserer klassischen Bibliotheks- und Dokumentationsarbeit begleiten wird, uns für das informationstechnologische Zeitalter ‚rüstet‘, und das Selbst- und Fremdbild unseres Berufes neu definiert. Da wir aus den verschiedensten autonomen und institutionellen Bereichen kommen, hat mir die Metapher der „Texturen“, die von Helga Klösch-Melliwa für die einzelnen Abschnitte des Buches gewählt wurde, ganz speziell gefallen: Ich zitiere Helga:
„kolloquiA ist in der Struktur eines Hypertextes gedacht und setzt sich wie ein Gewebe aus differenten Perspektiven und unterschiedlichen Prämissen zusammen, die letzlich doch strukturiertes Wissen präsentiert…“
Auf einzelne fachliche „Links“ werden die nächsten Rednerinnen ja noch zu sprechen kommen.
Unserem Verein wünsche ich noch viele „Kolloquien“ (=wissenschaftliche Unterredungen) und interessante Projekte – die Themen werden uns nicht ausgehen – und weiterhin eine so wunderbare Zusammenarbeit und Frauenfreundschaft. Und jetzt sind wir alle gespannt auf die inhaltlichen Ausführungen zum Thema.
Projektleiterin Helga Klösch-Melliwa: Vorstellung des Projekts
Inhalt: Zur Idee des Vorhabens | Welche Resultate liegen nun vor? | „Leidenschaft und Bildung“ | Mitarbeiterinnen und Autorinnen
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe frida-Frauen!
Ich möchte mich zuallererst für diesen großartigen Rahmen bedanken, in dem unsere Präsentation stattfinden kann. Im Namen des kolloquiA-Teams herzlichen Dank an Frau Dr. Knollmayer (Web) und Frau Dr. Rachinger (Web), auch für die einleitenden Worte.
Wenn Sie sich den Umfang von kolloquiA vergegenwärtigen, knapp über 600 Seiten, dann werden Sie verstehen, mit welcher Freude und doch auch Erleichterung wir alle, die daran mitgearbeitet haben, das fertige Produkt in Händen halten. Um unsere Projektarbeit und die umfangreiche Publikation in wenigen Zügen umreißen zu können, möchte ich drei Schwerpunkte setzen.
Zur Idee des Vorhabens
Der Impuls zum Projekt kolloquiA entstammt einem Themenkatalog, der 1996/97 von Mitarbeiterinnen des Vereins frida ausformuliert wurde. Dies war ein Katalog, gedacht für die Konzeption des Eisenstädter Fachhochschul-Studienganges „Informationsberufe“, der Vorschläge einbrachte, wie frauenbezogene/feministische Informationsarbeit in das Curriculum einfließen könnte. frida hatte damals gerade die thesaura (Web), den bereits angesprochenen österreichischen Frauenthesaurus, herausgebracht und die Reaktionen auf solch ein dokumentarisches Nachschlagewerk waren überaus positiv. Es ließ vermuten, dass Materialien zur Erweiterung und Anwendung des Wissens um frauenbezogenene / feministische Informationsarbeit von Fachfrauen und auch -männern mit Interesse aufgenommen würden.
Doch wurden wir damals aus diesen hochgestimmten Vorstellungen insofern auf den Boden der Realität zurückgeholt, als deutlich wurde, dass es eigentlich keine griffige Basis gab, keine systematische Auseinandersetzung mit der Geschichte, den Theorien und Methoden sowie Perspektiven zu unserem Arbeitsfeld, auf die sich eine angemessene Vermittlung hätte stützen können.
Die Idee, die sich daraus ableitete, war nun, diese „Bildungs- und Forschungslücke“ zu füllen. Die ersten Ansätze des Thesenpapiers habe ich in der Folge aufgegriffen, daraus mit Unterstützung der Arbeitsgruppe kolloquiA ein Konzept entworfen und schließlich wurde das Projekt in den Jahren 1998 und 1999 durchgeführt.
Welche Resultate liegen nun vor?
kolloquiA ist beides zugleich: Bestandsaufnahme und „work in progress“. Das bedeutet, sie enthält einerseits konkrete Aufarbeitungen mit historischen und gegenwartsbezogenen Befunden, diese belegt durch historische Quellen oder durch aktuelles Datenmaterial aus empirischen Erhebungen, und andererseits wird aber auch auf unbearbeitete Themen hingewiesen; dabei werden interessante Forschungsansätze vorgestellt und diese zur Weiterbearbeitung empfohlen, als Hinweise für Fachfrauen und -männer, WissenschaftlerInnen und Studierende.
Die Materialiensammlung enthält eine große Bandbreite an Themen: beispielsweise eine Geschichte der österreichischen Fraueninformationseinrichtungen, eine Berufsgeschichte von Druckerinnen und eine von Verlegerinnen in Österreich, eine Skizze der Entwicklung von „traditionellen“ Informationsberufen hin zu den Informationsfachfrauen im „neuen Design“. Wir haben zwei empirische Erhebungen durchgeführt: eine Nutzerinnenbefragung und eine quantitative sowie qualitative Studie zum Verein frida und seinen Fachfrauen.
Des weiteren gibt es praxisrelevante Aufarbeitungen: die Darstellung von Beständen – etwa historische Frauenzeitschriften, feministische Zeitschriften, Non-Book-Materialien, virtuelle Ressourcen -, sowie die Beschreibung ihrer inhaltlichen Erschließung und ihrer Zugänglichkeit. Die wichtigsten Informationen zu den einzelnen Fraueninformationseinrichtungen des Vereins frida sind auch in einem benutzerInnenorientierten Serviceteil zusammengefasst.
Ein weiteres Kernthema ist die geschlechterbezogene Analyse der Situation im Aus- und Weiterbildungswesen. Denn es ist ein Faktum, dass frauenbezogenen Inhalten und auch lehrenden Fachfrauen im Konzept und System der österreichischen Aus- und Weiterbildung kein oder wenig Raum zugestanden wird. Dieser Mangel ist besonders eklatant in jenen Ausbildungsinstitutionen, die immer bedeutsamer werdende Tätigkeitsfelder der Informationsarbeit mitgestalten, also beispielsweise in den informations-, kommunikations- und medientechnologischen bzw. -wirtschaftlichen Fachhochschul-Studiengängen.
Wir sind diesem Wandel in der Informationsarbeit und in der Berufsentwicklung besonders aufmerksam nachgegangen. Gerade auch deshalb, weil er sicherlich Veränderungen und Umdeutungen in den geschlechtsbezogenen Zuschreibungen an das Berufsbild mit sich bringen wird. So haben wir uns in kolloquiA – theoretisch und praxisbezogen – intensiv mit dem Kontext von Informationsarbeit, Neuen Technologien und auch neuen Arbeitsverhältnissen befasst.
„Leidenschaft und Bildung“
Ich nehme hier Anleihe beim Titel einer Publikation, die 1992 von der deutschen Bibliothekarin Helga Lüdtke herausgegeben wurde, ein Standardwerk, das wohl alle kennen, die sich mit Bibliothekarinnengeschichte auseinandergesetzt haben. In dieser Aufsatzsammlung wird die „Liebe“ von Volksbibliothekarinnen zu ihrem Arbeitsfeld und ihr oft leidenschaftliches Bekenntnis zu ihrer Bildungs- und Kulturarbeit vorgeführt. Auch wenn es sich dabei um eine historische und deutsche Dokumentation zu den Jahren 1895-1945 handelt, können durchaus Verbindungen zu heutigen Informationsfachfrauen in Österreich hergestellt werden.
Denken Sie an die Umfrage der VÖB aus dem Jahr 1996, die zwar nicht gerade von „Leidenschaft“ spricht, aber eine große Arbeitszufriedenheit gerade bei Frauen konstatiert. Oder denken Sie an das öffentliche Büchereiwesen, das ohne die unbezahlte / ehrenamtliche Tätigkeit von Frauen überhaupt nicht möglich wäre: rund 85% der Büchereien werden ehrenamtlich betreut und davon sind rund 90% Frauen. Ohne Begeisterung an der Tätigkeit wäre das wohl nicht denkbar.
Und auch die qualitative kolloquiA-Untersuchung zu den Vereinsfrauen von frida brachte ähnliche Ergebnisse: es herrscht große Arbeitszufriedenheit und viel Engagement, und das, obwohl die Arbeitsbedingungen oft ausgesprochen schwierig sind. Diese Freude an der Informationsarbeit ist begleitet von einer ausdauernden frauenpolitischen/feministischen Perspektive und deren Umsetzung in die Informations-, Bildungs- und Kulturpraxis.
Ich resümiere: Der Materialienband kolloquiA (Web) sollte auf jeden Fall fortgedacht und fortgeschrieben werden! Doch vorerst einmal ist es unser großes Anliegen, dass die vorliegenden Bestandsaufnahmen ihr Publikum erreichen, dass sie von Fachfrauen und -männern, von MultiplikatorInnen, von Lehrenden und Studierenden in der Aus- und Weiterbildung wahrgenommen werden und zur Wissensvertiefung und zur Wissensvermittlung anregen. Dann macht unsere intensive Arbeit den Sinn, der ihr zugedacht wurde.
Und nun möchte ich noch jene Frauen in den Mittelpunkt rücken, die als Mitarbeiterinnen oder Mithelferinnen an der Umsetzung des Projektes mitgewirkt haben. Die Vereinsfrauen von frida, die sich durch infrastrukturelle Arbeiten oder durch ihre Teilnahme an der empirischen Untersuchung beteiligten, und nicht zu vergessen die Benutzerinnen, die sich für eine Befragung zur Verfügung stellten.
Aber vor allem möchte ich die Mitarbeiterinnen der Arbeitsgruppe kolloquiA und die Autorinnen der kolloquiA hervorheben. Sie kommen aus unterschiedlichen Arbeitszusammenhängen und haben ihre unterschiedlichen Blickwinkel auf die Tätigkeitsfelder von Informationsarbeit miteingebracht. In alphabetischer Reihenfolge sind das:
- Stefanie Bierbaumer
- Christa Bittermann-Wille
- Christina Buder
- Gitti Geiger
- Bärbel Hegenbart
- Helga Hofmann-Weinberger
- Barbara Kintaert
- Lizzi Kramberger
- Renate Retschnig
- Roberta Schaller-Steidl
- Edith Stumpf-Fischer
- Andrea Zemanek
- Waltraud Zirngast
Herzlichen Dank an alle! Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Kommunikationswissenschafterin Brigitte Geiger: Vortrag „Prinzipien und Strukturen feministischer Informationsarbeit“
Inthalt: kolloquiA im Kontext | Frauen/Lesbenarchive | Institutionalisierung | Feministische Informationsarbeit | Dokumentieren der Bewegungsgeschichte
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und frida-Frauen!
Ich habe die Ehre, aber auch die schwierige Aufgabe, Ihnen in einem kurzen Vortrag zumindest einen kleinen Einblick in das in der kolloquiA (Web) auf 600 Seiten vielfältig und materialreich bearbeitete Feld frauenbezogener/feministischer Dokumentation und Informationsarbeit zu geben.
Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen: Mein fachlicher und politischer Hintergrund ist meine langjährige ehrenamtliche Mitarbeit in STICHWORT. Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung (Web) sowie mein Interesse als Kommunikationswissenschafterin an Strukturen der Frauenbewegungen und feministischer Öffentlichkeiten.
Kontext und Bezugspunkt frauenbezogener/feministischer Informationsarbeit sind die Emanzipationsbestrebungen von Frauen, die Kritik an hierarchischen Geschlechterverhältnissen und patriarchalen-androzentrischen Strukturen von Öffentlichkeit, Politik, Wissenschaft und Bildung sowie Defizite des bestehenden Informationswesens. Ihre Aufgabe und Zielsetzung ist das Sichtbarmachen, Bewahren und Tradieren von Frauengeschichte und Frauenwissen. Frauenbezogene/feministische Informationsarbeit stellt für Frauen relevante Informationen bereit und versucht, genderspezifischen Informationen in der Gesellschaft und in politischen Entscheidungsprozessen Beachtung zu verschaffen.
Die Termini „frauenbezogen“ und „feministisch“ verweisen dabei auf zwei miteinander verbundene, aber nicht identische Perspektiven. Frauenbezogene Informationsarbeit bedeutet, „Frauen“, „Gender“, Geschlechterverhältnisse in den Mittelpunkt von Informationsprozessen zu rücken, feministisch betont darüber hinaus die politische Perspektive: Bei aller Offenheit des Begriffs „feministisch“ – und der Vielfalt der Feminismen – verweist er auf eine grundlegende Macht- und Herrschaftskritik und damit verbundene Prinzipien und impliziert so ein spezifisches Verständnis von Informationsarbeit als einem ganzheitlichen, kollektiven und wechselseitigen Prozess, der an politischer Veränderung orientiert ist.
Fraueninformationseinrichtungen, also Frauen- und Lesbenarchive, -bibliotheken, -dokumentations- und -informationszentren – ich verwende im Folgenden auch die gängige Kurzbezeichnung Frauen/Lesbenarchive –, entstanden weltweit zunächst als „Selbsthilfeeinrichtungen“ von Einzelfrauen und Basisinitiativen im Kontext der Frauenbewegungen und als Teil einer feministischen (Gegen-)Kultur. Mit dem Ausbau der Frauen- und Geschlechterforschung und der Institutionalisierung von Frauenpolitik entstehen Fraueninformationseinrichtungen zunehmend auch integriert in die großen „Mainstream“-Bibliotheken und -Informationsservices wie etwa Ariadne an der ÖNB (Web) oder auch im Kontext von nationalen und internationalen Frauenförder- und Gleichstellungsinstitutionen.
Das frauenbezogene und feministische Informationswesen präsentiert sich so heute in einer großen Bandbreite an Arbeitsbereichen und Organisationsformen, an unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kontexten. Ich konzentriere mich in den folgenden Anmerkungen zu Prinzipien und Strukturen feministischer Informationsarbeit vor allem auf die Praxis autonom organisierter, eigenständiger Fraueninformationseinrichtungen, von wo die Entwicklung eines frauenbezogenen Informationswesens ja auch ausgegangen ist, und auf den deutschsprachigen Raum.
Frauen/Lesbenarchive verstehen sich als Teil der feministischen Bewegungen und des kollektiven Projekts der Transformation hierarchischer Geschlechterverhältnisse. Damit beziehen sie sich trotz der Vielfalt an Feminismen und der Ausdifferenzierung von Perspektiven und Organisationsformen auf eine gemeinsame Basis, erwarten und ermöglichen vor diesem Hintergrund „Mitarbeit und Mitdenken“ und begreifen sich „als Einrichtungen kollektiven Sammelns und Nutzens frauenbezogener Literatur“, so etwa das Berliner FFBIZ (Web) in den 1980er Jahren.
Als Orte der Selbstorganisation von Frauen und öffentlich sichtbare Bezugspunkte einer kollektiven Geschichte und Identität definieren sie sich als ausschließliche oder zumindest vorrangige Frauenorte.
Diese Selbstverortung bestimmt auch das Verhältnis zu den Benutzerinnen: Die ersten Frauen/Lesbenarchive entstanden in den siebziger und frühen achtziger Jahren im Kontext einer noch relativ klar konturierten Bewegung mit kompakten Kommunikations- und Handlungszusammenhängen (etwa in den Frauenzentren) und noch relativ starker gemeinsamer Identität – trotz erster Differenzierungsprozesse. Betreiberinnen und Benützerinnen kamen überwiegend aus diesem Kontext.
Mit der Verbreitung und Diffundierung feministischer Ideen, mit der Professionalisierung und partiellen Institutionalisierung von Feminismus, Frauenforschung und Frauenpolitik in den achtziger und neunziger Jahren erweiterte und differenzierte sich der Kreis der Adressatinnen und Benützerinnen von Fraueninformationseinrichtungen. Ein geteilter Bezug zu feministischer Theorie und Praxis kann heute nicht mehr vorausgesetzt werden.
An den Universitäten z. B. führt die – wenn auch immer noch randständige – Institutionalisierung von Frauenforschung und feministischer Wissenschaft dazu, breitere StudentInnengruppen mit feministischen Inhalten zu konfrontieren. Diese treten ihnen allerdings zunehmend als regulärer Lern- und Prüfungsstoff entgegen, eine persönliche oder politische Involvierung muss damit nicht verbunden sein. Dies schlägt sich natürlich auch im Verhältnis zur verwendeten Literatur und in den Ansprüchen an eine effiziente Literaturbeschaffung nieder – ein Trend, der durch die neuen Informationstechnologien noch verstärkt wird. Gleichzeitig richten insbesondere feministisch geprägte Nutzerinnen nach wie vor andere Ansprüche und Erwartungen an Fraueninformationseinrichtungen, wie dies auch in der kolloquiA-Nutzerinnenbefragung deutlich wurde.
Frauen/Lesbenarchive agieren heute also in einem differenzierten und disparaten Umfeld – und sie präsentieren sich darin in ihrer Mehrheit als professionelle Service- und Informationsdienstleistungseinrichtungen und gleichzeitig als politische Projekte. Das bedeutet u. a., dass sie sich nicht ausschließlich an Kriterien und Erwartungen der Effizienz und schnellen Informationsbeschaffung oder an Bedürfnissen nach leicht konsumierbarer Information orientieren, sondern an der Gestaltung und Ermöglichung ganzheitlicher und kontextualiserter Informationsprozesse.
Dazu gehört ein Beratungs- und Betreuungsangebot, das es ermöglicht, auf die einzelne Benützerin und ihre Informationsbedürfnisse einzugehen, und das die Nutzerinnen bei ihrer Informationssuche unterstützt, z. B. durch Hinweise auch auf weniger nahe liegende Materialien oder quer liegende Informationen. Die Nutzerinnen von Fraueninformationseinrichtungen können so von den Erfahrungen und dem Wissen der Projektfrauen profitieren, und idealerweise kommt ein interaktiver Prozess in Gang, der Informationen auch wieder zurückfließen lässt.
Beratungsangebote und Niederschwelligkeit sind Bestandteile eines Konzepts, das Informationsarbeit als einen aktiven Vermittlungsprozess versteht, wofür Offenheit und Zugänglichkeit des Informationsangebots wesentliche Voraussetzungen sind. Zugänglichkeit und Offenheit entstehen aus vielen Elementen: durch die Struktur des Informationsangebotes, die Gestaltung des Ortes, der Nutzungsmöglichkeiten und des Verhältnisses zu den Nutzerinnen, durch die Präsentation in der Öffentlichkeitsarbeit und durch direktes Ansprechen von Zielgruppen.
Frauen/Lesbenarchive – und das gilt auch für universitär verankerte Einrichtungen und Einrichtungen, die sich als wissenschaftliche Bibliotheken verstehen – richten sich als Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Bewegung und als Vermittlerinnen zwischen Theorie und Praxis gleicherweise an ein nicht-akademisches Publikum, auch wenn Studentinnen und Wissenschaftlerinnen die größte Benutzerinnengruppe stellen.
Dabei ist es besonders wichtig, durch eine aktive und bewusste Politik und Orientierung, gesellschaftlichen Ausgrenzungen entgegenzuarbeiten und auf die Zugänglichkeit und Offenheit gerade auch für besonders marginalisierte Frauengruppen zu achten.
Namensgebungen mit Zusätzen wie „FrauenLesben“ sind sichtbare Zeichen gegen die herrschende Homophobie und Diskriminierung lesbischer und schwuler Lebensweisen und signalisieren gleichzeitig lesbischen Frauen, dass ihren Informationsinteressen hier Rechnung getragen wird.
Weniger erfolgreich (und weniger offensiv) war der Fraueninformationsbereich, meiner Einschätzung nach, bisher in einer Öffnung der Einrichtungen für Migrantinnen – trotz der auch in Frauen/Lesbenarchiven geführten Debatten um Rassismus und nationalistische Ausgrenzungen, dem breiten Raum, den entsprechende Literatur und anti-rassistische Theorie in den Beständen einnimmt, und einiger einschlägiger Einrichtungen wie z.B. der Bibliothek und Dokumentationsstelle Frauen & „Dritte Welt“ der Frauensolidarität (Web).
Aufgrund ihrer ganzheitlichen Orientierung verbinden Fraueninformationseinrichtungen im Informationswesen traditionellerweise getrennte Bereiche wie Archiv, Bibliothek, Dokumentation und Informationsvermittlung, in einer der jeweiligen Aufgabenstellung und Schwerpunktsetzung entsprechenden Mischung, zu einem umfassenden Informationsangebot.
Darüber hinaus verstehen sich Frauen/Lesbenarchive als politische Projekte nicht nur als Orte des Sammelns und Aufbewahrens, sondern ihre Praxis umfasst auch Elemente aktiver Vermittlung und Nutzbarmachung des Informations- und Literaturangebots für individuelle und kollektive Lernprozesse und die Weiterentwicklung feministischer Theorie und Praxis. Diese Integration von Politik, Forschung, Bildung und Dokumentation ist besonders offensichtlich bei themenspezifischen Dokumentationen, die im Kontext entsprechender Frauenprojekte und -initiativen entstanden, z. B. in den Frauengesundheitszentren in Berlin und Graz (Web) oder in der Wiener Frauensolidarität (Web). Hier ist der Dokumentationsbereich integrierter Bestandteil der politischen, beruflichen und wissenschaftlichen Arbeit.
Als Archive einer sozialen Bewegung haben Fraueninformationseinrichtungen nicht nur eine Funktion als Quellensammlungen für künftige Historikerinnengenerationen, sondern sie fungieren auch als aktuelle Informationszentren und unterstützen als Informationsdrehscheiben die Netzwerke innerhalb der feministischen Bewegungen.
In besonderer Weise gilt dies für Fraueninformationseinrichtungen in Afrika, Asien oder Lateinamerika: Meist im Rahmen so genannter Resourcecenters untergebracht, agieren sie sehr stark aktions- und transformationsorientiert und als aktive Informationsvermittlerinnen, welche Informationsbedürfnisse erheben, Daten erfassen, Informationen übersetzen und verbreiten, um so zum Empowerment von Frauen und gesellschaftlichem Wandel beizutragen.
Zentral ist die Verankerung in den jeweiligen Bezugsgruppen auch – und damit komme ich zu meinem letzten Punkt – für die Informationsbeschaffung und den Aufbau der Sammlungen. Schließlich arbeiten Frauen/Lesbenarchive nicht im Rahmen zentraler Organisationen und geregelter Abgabepflichten, sondern sie entstehen aus der Initiative und dem Engagement einzelner Frauen. Sie agieren in einer heterogenen und dezentral organisierten Bewegung, beziehen sich auf einen (immer noch) wenig institutionalisierten Forschungsbereich und dokumentieren eine Geschichte und ein Wissen, für die auch das so genannte Private und Nicht-Öffentliche relevant ist bzw. die lange Zeit und zum Teil immer noch tabuisiert war und ist.
Ihre Informationsangebote und Sammlungen können daher nur in enger Wechselwirkung mit den jeweiligen Bezugsgruppen (in der Region, der FrauenBewegung und -politik oder der Wissenschaft) aufgebaut werden und erfordern Sammlungsstrategien, welche auf kollektiver Beteiligung basieren. Die Nähe zu den relevanten Communities ist gleichzeitig eine wichtige Orientierungshilfe bei der Auswahl und Strukturierung des Informationsangebots und erhöht durch diese Kontextualisierung seine Relevanz und Aktualität.
Der Aufbau und die Pflege entsprechender Informations- und Kontaktnetze sowie eine aktive und offene Öffentlichkeitsarbeit und Informationspolitik sind somit zentrale Bestandteile von (selbst organisierter) Fraueninformationsarbeit. Dazu gehört erstens, Selbstverständnis und Aufgaben eines Frauen/Lesbenarchivs an die jeweiligen Frauenöffentlichkeiten zu vermitteln, Begeisterung für die Bewahrung und Zugänglichmachung von Frauengeschichte und Frauenwissen zu wecken und das Bewusstsein bei einzelnen Frauen und Frauengruppen dafür zu fördern, dass die Produkte ihrer Aktivitäten aufhebenswert und wichtig sind als Bausteine kollektiver Frauen- und Lesbengeschichte.
Für die Kooperation einer Vielzahl von Frauen und Frauengruppen wichtig sind zweitens die Bekanntheit und das öffentliche Image des Archivs, seine Präsenz und Selbstdarstellung in den verschiedenen Öffentlichkeiten und seine Integration in informelle und formelle Netzwerke. Notwendig ist drittens, durch Transparenz der Organisationsstrukturen und Arbeitsweisen sowie klare und offen gelegte Benützungsregelungen eine Vertrauensbasis zu schaffen.
Eine solche aktive Öffentlichkeitsarbeit erweist sich z. B. als unverzichtbar für Dokumentationen von Frauengruppen und -initiativen, wie sie etwa STICHWORT (Web), ArchFem (Web) oder das DOKU Graz (Web) betreuen. Die Bekanntheit der Einrichtung sichert zunächst einmal die regelmäßige Zusendung von „öffentlichen“ Quellen wie Veranstaltungsankündigungen, Foldern oder Zeitungen. Für interne oder halböffentliche Materialien wie Protokolle, Vortragsmanuskripte oder Konzeptpapiere ist ein Archiv auf ein gut funktionierendes Kontaktnetz angewiesen, das gezieltes Nachfragen erleichtert und gewährleistet, dass dieses Quellenmaterial dem Archiv angeboten wird. Besondere Relevanz erhalten diese Kontakte im Falle von Gruppenauflösungen zur Sicherung der Nachlässe.
Allerdings sind in der Praxis der Beteiligung und Präsenz in den verschiedenen Öffentlichkeiten und Netzwerken natürlich Grenzen gesetzt – nicht zuletzt durch die personellen und zeitlichen Kapazitäten, aber auch durch die finanziellen Ressourcen. Notwendig für eine inklusive Informationsarbeit sind daher eine regelmäßige kritische Reflexion der Positionierungen und Kontaktnetze in Bezug auf implizite oder explizite Ein- und Ausschlüsse und eine konstante und aktive Kommunikationspolitik, die immer wieder einzelne Bereiche und Gruppen gezielt adressiert.
Ein Beispiel für diese Zusammenhänge ist etwa die Dokumentation der Lesbenbewegung im STICHWORT: Zwar war es von Beginn an ein Anliegen des Projekts, Lesben und die Anliegen und Aktivitäten der Lesbenbewegung in den Sammlungen zu repräsentieren und sichtbar zu machen, aber erst 1990 wurde dieser Anspruch auch im Projektnamen (Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung) sichtbar gemacht und wurden darüber hinaus Lesben explizit zur Mitarbeit eingeladen. Die daraus folgende stärkere Integration in die lesbisch-feministischen Netzwerke hat nicht unwesentlich zum Ausbau der entsprechenden Bestände beigetragen.
Auch die regionale Verankerung eines Archivs erleichtert diesen aktiven Austausch. Deshalb ist für das frauenbezogene Informationswesen ein dezentrales Netz von Einrichtungen von Vorteil – wie es beispielsweise in Deutschland oder den Niederlanden und seit einigen Jahren, allerdings mit Lücken, auch in Österreich existiert.
Ich hoffe, dass mein – notwendigerweise kursorischer – Blick auf die Praxis von Fraueninformationseinrichtungen einen Eindruck von deren Beitrag zur Sicherung und Bereitstellung von Fraueninformation sowie zu einer macht- und herrschaftskritischen Reflexion von Information und Informationsarbeit vermitteln konnte und dass er Sie neugierig machte auf weitere Lektüre in der kolloquiA.