ThesaurA

CoverIdee und Konzept

Aus der vereinsinternen Diskussion über die herkömmliche Beschlagwortung von frauenspezifischen Themen erwuchs die Idee, einen einheitlichen frauenthemenorientierten Thesaurus mit dem Schwerpunkt Österreich zu erarbeiten. Ein Thesaurus ist eine Dokumentationssprache, die dazu dient, Dokumente jeglicher Art in einem spezifischen Fachbereich inhaltlich zu erschließen, zu speichern und wiederauffindbar zu machen.

1. Das Projekt
2. Die Publikation (nach unten)
3. Ein kurzes Resümee zu den Eigenschaften der thesaurA (nach unten)
4. Beispiel für einen Begriffssatz (nach unten)
5. Internationale Frauenthesauri in chronologischer Reihenfolge (nach unten)


Das Projekt

Die Initiatorin und Trägerin von diesem freien Forschungsprojekt war frida.

Die Erstellung eines feministischen Thesaurus wurde zwischen August 1994 und Juli 1995 von Helga Klösch-Melliwa und Angelika Zach durchgeführt.

Das Projekt wurden vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, vom Frauenministerium und vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst subventioniert. Die Drucklegung finanzierte das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, in dessen Reihe „Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft“ die thesaurA als Band 5 im Frühjahr 1996 erschien. Die Publikation ist mittlerweile vergriffen und nur mehr antiquarisch erhältlich.


Die Publikation

Bei einem frauenspezifischen/feministischen Thesaurus handelt es sich um ein Verzeichnis genormter Begriffsbezeichnungen, das im Dokumentationsgebiet der Frauen- und Geschlechterthematik eingesetzt wird und in diesem Bereich als „Orientierungsinstrument“ wirkt. Zugleich hat aber ein Frauenthesaurus überdies den Anspruch, ein frauenpolitisches Instrument zu sein. Das bedeutet, herkömmliche Dokumentationssprachen gesellschaftskritisch, bewusstseinskritisch und sprachkritisch zu analysieren, frauendiskriminierende Mechanismen oder Strategien zu erkennen und zu beseitigen und somit auf Veränderungen in der dokumentarischen Praxis abzuzielen.

Mit dieser Projektidee thesaurA – die Bezeichnung stellt die feministische Umformung des männlichen Begriffs „Thesaurus“ dar und akzentuiert durch die Großschreibung der femininen Endung den österreichspezifischen Ansatz -, wurde ein Konzept aufgegriffen, das international bereits mehrfach umgesetzt worden war: Bereits in den 70er Jahren war der amerikanische Thesaurus „On Equal Terms. A Thesaurus for Nonsexist Indexing and Cataloging“ erschienen; der erste deutschsprachige Thesaurus wurde 1994 vom Kölner „FrauenMediaTurm“ herausgegeben.

Sprache und Sprachverhalten in einer Gesellschaft werden bekanntlich durch Machtstrukturen und Herrschaftsprozesse geprägt. Das heißt weiters, dass sprachliche Normsetzungen sprachpolitische Handlungen darstellen. Der Gebrauch der Sprache in unserer Gesellschaft ist an männlichen Wertvorstellungen orientiert und diskriminiert zugleich Frauen in mehrfacher Weise: er ist sexistisch. Da Schlagwortkataloge und Thesauri grundsätzlich auf Zusammenstellungen vorwiegend natürlichsprachiger Bezeichnungen von Begriffen beruhen, ist die konventionelle Beschlagwortung der herkömmlichen österreichischen Dokumentationseinrichtungen sexistisch.

Doch ebenso in anderer Hinsicht ist ein anachronistischer und benützerInnenfeindlicher Zustand festzustellen. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat sich im Zusammenhang mit der Neuen Frauenbewegung und unter Einfluss feministischer Kritik das gesellschaftliche Bewusstsein in bezug auf die Geschlechterverhältnisse zumindest in einen Reflexionsprozess begeben. Dies hat auch in Österreich in unterschiedlicher Intensität Reaktionen im Wissenschaftsbetrieb und in der Tagespolitik hervorgebracht. Der ständig anwachsenden Menge an frauenthemenorientierter Literatur steht jedoch ein Schlagwortinventar gegenüber, das nicht dazu geeignet ist, feministisches/frauenspezifisches Dokumentationsmaterial erschöpfend auszuwerten.

Diesem Defizit soll die thesaurA begegnen, indem zur Umsetzung von drei soziolinguistischen Prinzipien in der Beschlagwortung Anregungen und Hilfestellungen angeboten werden. Die sprachliche Sichtbarmachung von Frauen soll forciert werden, indem die universalistisch argumentierte männliche Sprachform beseitigt wird. Sofern der Inhalt eines Dokumentes sich also auf Frauen und Männer bezieht, muß eine Beschlagwortung durchgeführt werden, die beide Geschlechter sichtbar macht. Wobei hier eine Geschlechtsspezifikation nicht nur in bezug auf Personenbezeichnungen wie „Asylwerberinnen“ bzw. „Asylwerber“ oder „weibliche Jugendliche“ bzw. „männliche Jugendliche“ gemeint ist, sondern ebenso für eine Femininmovierung in Komposita wie „Arbeiterinnenbewegung“ oder „Christinnentum“ gegenüber „Arbeiterbewegung“ und „Christentum“ plädiert wird.

Weiters geht es um die Herstellung einer „geschlechtlichen“ Symmetrie, indem Themen geschlechtsspezifisch beschlagwortet werden sollen. Demnach sind frauenorientierte Gesichtspunkte gleich zu gewichten wie männerorientierte. Frauenthemen dürfen also weder ignoriert werden, noch ghettoisiert, d.h. von allgemeiner und männlich interpretierter Thematik abgesondert behandelt werden. Ausnahmen sind hier lediglich explizit frauenpolitisch gemeinte Hervorhebungen.

Drittens zielt die thesaurA auf eine Ergänzung fehlender Schlagwörter ab, da großer Nachholbedarf besteht, den BeschlagworterInnen ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, mit dem frauenspezifische Dokumente inhaltlich zugeordnet und erschlossen werden können.

Weitere Besonderheiten der Thesaurus-Erstellung unter feministischer Perspektive betreffen die zugrundegelegte Sachgruppensystematik, die von Hauptthemen der frauenspezifischen Dokumentation ausgeht, die Auswahl der Deskriptoren (=Vorzugsbenennungen), die nach Kriterien feministischer Sprachkritik vorgenommen wurde, die Verwendung des Plurals für Personenbezeichnungen, um Stereotypien zu vermeiden, und schließlich die präferierte Verwendung von Assoziationsrelationen (=Verwandte Begriffe), die einen kritischen Ansatz gegenüber der bedeutungswertenden Hierarchisierung von Begriffen darstellt.

Damit wird die Kritik an gesellschaftlichen Machtstrukturen und Machtverhältnissen auf sprachlicher bzw. sprachpolitischer Ebene zum Ausdruck gebracht. Der Eindeutigkeit und Gerichtetheit eines hierarchischen Systems steht die Differenziertheit und der Pluralismus feministischer Kritik gegenüber.

Der erste österreichische Frauenthesaurus als Nachschlagewerk zur Orientierung im Fachgebiet der Frauen- und Geschlechterthematik umfasst 467 Seiten und besteht aus einem Manual, dem Hauptteil mit rund 3000 Termini, einem Permutationsregister und einem Index der Schlagwörter nach der Sachgruppensystematik; als zusätzliche dokumentarische Hilfsmittel sind außerdem vier Sonderlisten – Berufsgruppen, Formschlagwörter, Geographika und Zeitschlagwörter – beigefügt.

Zu den Zielgruppen der thesaurA zählen die InhaltserschließerInnen sowohl in institutionalisierten Dokumentationseinrichtungen und Bibliotheken als auch in kleineren spezialisierten Frauenbibliotheken, -archiven und -dokumentationszentren. Doch sollte das Vokabular ebenso den Benützerinnen dieser Einrichtungen zur Verfügung stehen, um bei der effektiven Suche nach Informationen behilflich zu sein.

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Ein kurzes Resümee zu den Eigenschaften der thesaurA

  • deutschsprachig
  • österreichspezifisch
  • geeignet für: kleinere Sammlungen und große bibliographische Datenbanken
  • geeignet für: EDV-Benützung und konventionelle Zettel-Kataloge
  • interdisziplinär, weil feministische Forschung/Frauenforschung und Frauenpolitik bereichsübergreifend sind
  • größtmögliche Ausmerzung von (Geschlechts)stereotypen
  • Ausrichtung auf: Frauendokumentationsstellen und herkömmliche / allgemeine Informationseinrichtungen
  • benützer*nnenfreundlich

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Beispiel für einen Begriffssatz

Nicht-Deskriptor Abtreibung
Benutztes Synonym BS Schwangerschaftsabbruch
Benutzt für BF Abtreibung
Scope Note SN
Definition DEF
Sachgruppe SG Frauenbewegungen
Körper und Gesellschaft
Körper und Psyche
Staat/Politik
Oberbegriff OB Geburtenregelung
Unterbegriff UB Abtreibungsdebatte
Abtreibungsmethode
Abtreibungsverbot
Fristenregelung
Indikationenregelung
Zwangsabtreibung
Verwandter Begriff VB Abortus
Aktion Leben
Engelmacherinnen
Fötus
Fortpflanzung
Frauenklinik
Gebärhaus
Geschlechtsselektion
Gynäkologie
Kirchenrecht
Sexualpolitik
Strafrechtsreform
Ungewollte Schwangerschaft

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Internationale Frauenthesauri in chronologischer Reihenfolge

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