So gut wie verschollen und vergessen, ausgelöscht und vernichtet wie ihr Werk waren lange Zeit auch die meisten Lebensspuren Adele Jellineks. Ihr wertvoller und einzigartiger Beitrag zur spezifisch österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts kam im Wesentlichen erst durch die biografisch-literarische Aufarbeitung der Mitglieder der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ zutage.
Die „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ wurde am 22. Jänner 1933 von einer Reihe sozialistisch orientierter Schriftsteller und Schriftstellerinnen gegründet und war eine Antwort auf die in Deutschland erfolgte Ernennung Adolf Hitlers zum deutschen Reichskanzler und die bereits lodernden Bücherscheiterhaufen.
Adele Jellinek veröffentlichte ihre großteils sozialkritisch ausgerichteten Texte im Zeitraum 1919 bis 1938 in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften vorwiegend im Bereich des Feuilletons, schrieb aber auch einige Gedichte sowie einen viel beachteten Fortsetzungsroman mit dem Titel „Das Tor“, welcher im Laufe des Frühjahrs 1929 in der „Arbeiter-Zeitung“ erschien. Selbst aus ärmlichen Verhältnissen stammend und an den Rollstuhl gefesselt, widmete sich die Schriftstellerin jüdischer Herkunft der proletarischen Lebenswelt der Zwischenkriegszeit, ganz besonders jener der Kinder, denen Jellinek ihre besondere Aufmerksamkeit schenkte. Es kann dabei durchaus als außergewöhnlich wahrgenommen werden, dass Jellinek zahlreiche ihrer Beiträge aus der Kinderperspektive schrieb. Dabei schuf sie wichtige Beiträge zur Ausformulierung einer proletarischen bzw. sozialistischen Pädagogik. Bildung war für Jellinek das Mittel zur Schaffung einer gerechten, sozialistischen Gesellschaft.
Nach der Zerschlagung der Sozialdemokratischen Partei Österreichs im Februar 1934 durfte die „Arbeiter-Zeitung“ in Österreich nicht mehr hergestellt werden, wurde bis 1938 im Ausland gedruckt und illegal nach Wien gebracht. Damit verlor Adele Jellinek ihre wichtigste publizistische Plattform und wahrscheinlich auch ihre Haupteinnahmequelle. Nun waren es nur mehr wenige Schritte bis zur endgültigen Zerstörung von Jellineks ohnehin stets prekärem Lebenszusammenhang.
Nach dem März 1938 wurde sie aus ihrer Wohnung in Wien 16, Thaliastraße 93 vertrieben. Ihre letzte Unterkunft fand sie im Altersheim der IKG, in Wien 9, Seegasse 9, von wo sie mit weiteren InsassInnen des Heims am 25.5.1943 nach Theresienstadt deportiert wurde. Ihr Todesdatum wurde mit dem 3.9.1943 dokumentiert.
Buchpräsentation
Zeit: 10.12.2024, 18:30 Uhr
Ort: IWK-Institut für Wissenschaft und Kunst, Berggasse 17, 1090 Wien
Ilse Korotin und René Korotin (Hg.): „… eine neue Welt zu bauen.“ Adele Jellinek (1890-1943), Essays und Gedichte (= biografiA. Neue Ergebnisse der Frauenbiografieforschung Bd. 30. Praesens Verlag, Wien 2024 (Web)