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Buchpräsentation: Ilse Korotin und René Korotin: Thekla Merwin (1887-1944) – Essays und Gedichte, 05.12.2023, Wien

Kennen Sie Thekla Merwin (geb. Blech)? Die Schriftstellerin war 1887 in Riga geboren worden, hatte 1908 den Juristen Emil Merwin (1881–1934) aus Lemberg geheiratet, ihre Tochter Magda kam 1911 zur Welt und war später ebenfalls Juristin. Ab März 1938 wurden die zwei Frauen zu Opfern des NS-Rassismus. Am 24. September 1942 wurden sie mit dem 11. Transport vom Wiener Aspangbahnhof nach Theresienstadt deportiert, am 19. Oktober 1944 mit einem der letzten Transporte nach Auschwitz verbracht und dort ermordet.

Ilse Korotin und René Korotin haben soeben eine Werkausgabe von Thekla Merwin publiziert. Das Buch wird im Rahmen der Vortragsreihe “biografiA – Neue Ergebnisse der Frauenbiografieforschung” am IWK präsentiert. (Web)

Zeit: ​Di. 05.12.2023, 18:30 Uhr
Ort: IWK, Bergg. 17, 1090 Wien

Das literarische Werk Thekla Merwins umfasst Gedichte, Feuilletons, kurze Prosawerke, Rezensionen, Gedichte und journalistische Beiträge zum Zeitgeschehen, welche nachweisbar ab 1909 in zahlreichen Zeitschriften und Zeitungen erschienen sind. Für die Werkausgabe konnten insgesamt 138 Texte recherchiert und transkribiert werden.
Im Rahmen der zionistisch ausgerichteten Zeitschrift „Jüdische Volksstimme“, welche sich zu dieser Zeit sehr intensiv mit der jüdischen Nationalität sowie deren Resonanz in der österreichischen Sozialdemokratie und ihrem Organ, der „Arbeiter-Zeitung“ (ab 1921 und bis 1934 nachweisbar), beschäftigte, zeigte Thekla Merwin bereits in der Anfangsphase ihres Schreibens starkes Interesse an spezifisch jüdischen Themen und war in den zeitgenössischen jüdischen Identitätsdiskursen präsent. Sie vertrat aber keine deklariert zionistischen Positionen und richtete sich vehement gegen die in der Sozialdemokratie weit vertretene Meinung, dass Emanzipation und Assimilation längerfristig gegen den Antisemitismus wirken würden.
Ab 1909 publizierte Thekla Merwin auch in „Dr. Bloch’s Oesterreichischer Wochenschrift“, dem „Zentralorgan für die gesamten Interessen des Judentums“, wo sie ausführlichen Rezensionen und journalistische Beiträge zum Tagesgeschehen verfasste. Ab 1910 veröffentlichte sie auch Lyrik. Ihre Gedichte zeigen berührende Natur- und Stimmungsbilder, beschäftigen sich mit zermürbenden Stadt-Erfahrungen, mit Armuts-, Straßen- sowie Nacht-Bildern und sprechen damit die Kehrseiten der urbanen Moderne an.
Ihre weiteren Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften wie u. a. der „Modernen Welt“, der „Bühne“, der „Muskete“ oder „Mocca“ blieben sozial- und kulturkritisch. 1933 wurde Thekla Merwin Mitglied der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“, deren Vereinsgründung eine Antwort auf die in Deutschland nach der Ernennung Adolf Hitlers zum deutschen Reichskanzler bereits lodernden Bücherscheiterhaufen war.
Thekla Merwin tritt den Leser:innen in allen Lebensphasen als kritische, politisch wachsame und furchtlos argumentierende Zeitgenossin entgegen. Die neuerliche Lektüre der von Thekla Merwin hinterlassenen facettenreichen Texte gewährt uns Einblick in eine Epoche des Aufstiegs und auch des Niedergangs. Die Texte zeugen von Hoffnung und auch von Resignation – bis hin zum gewaltsamen Tod der Autorin.

Ilse Korotin, René Korotin (Hg.): „Niemand war da, uns vor der Tollwut von Analphabeten zu schützen!“. Thekla Merwin (1887-1944) – Essays und Gedichte (biografiA. Neue Ergebnisse der Frauenbiografieforschung Band 29), Wien 2023 (Web)

Quelle: Female-l